Sehnsucht Stadt „Stadt gestalten in Zeiten knapper Kassen“

Von , 2013/04/03 10:34

Unter diesem Motto hatte das Netzwerk Baukultur am 19.02.2013 unter der Federführung der Architektenkammer Sachsen zu einer Diskussion in das Grassimuseum Leipzig geladen.

Sehnsucht StadtDie „öffentliche Hand“ ist nicht nur ein wichtiger Auftraggeber für freiberuflich tätige Architekten und Ingenieure, sondern gleichermaßen der Stadtgestaltung und Baukultur grundlegend verpflichtet. Öffentliche Gebäude prägen das Stadtbild in jeder Stadt ganz erheblich und stellen damit hohe Qualitätsansprüche ebenso an den Neubau. Demgegenüber stehen sinkende Haushaltsmittel und eine geringer werdende Fördermittelbereitstellung für die Bestandserhaltung, die Sanierung oder den Neubau öffentlicher Infrastruktur.

Wie kann vor diesem Hintergrund auch in Zukunft eine qualitätvolle Stadtgestaltung betrieben werden? Wie lässt sich der hohe städtebaulich/architektonische Anspruch der öffentlichen Bauherren auf privater Ebene umsetzen? Welche Verfahren und Instrumente eignen sich für die Qualitätssicherung?

Diesen Fragen stellten sich Experten der KOOP Partnerstädte Bremen und Leipzig, Vertreter der Architektenschaft und der Kommunalpolitik. Moderiert wurde die Diskussion von einem inspirierenden Prof. Ronald Scherzer-Heidenberger, der mit der These eröffnete, dass zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung neben wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekten als wesentlicher Bestandteil die Kultur gehört.

Aus der spannenden Diskussion dazu möchte ich nur die letzte Frage herausgreifen.

Um es gleich auf den Punkt zu bringen, die Stadt Bremen hat (im Gegensatz zu Leipzig) mit einem enorm hohen Schuldendienst kaum finanzielle Spielräume für eigene Investitionen. Trotzdem gelingt es der Stadt, Qualität zu sichern. Bianca Urban -Abteilungsleiterin Regional- und Stadtentwicklung, Stadtumbau und Wohnungswesen beim Senat der Stadt Bremen – hat am Beispiel der Entwicklung des ehemaligen Wasserwerksgeländes der Stadt Werder die Rahmenplanung für ein Wohnquartier vorgestellt. Die Stadt macht ihre Einflussmöglichkeiten über die Kaufverträge geltend und verpflichtet die Investoren zur Durchführung von Baufeld bezogenen Architekturwettbewerben. Bremen entwickelt zurzeit mehrere Standorte auf eigenen Flächen und setzt dabei auf eine starke Bürgerbeteiligung bei der Entwicklung der Quartiere. Städtebauliche Ideenwettbewerbe bilden auch hier die Grundlage für die spätere bauliche Entwicklung (z.B. www.neues-hulsberg.de). Die Stadt Bremen hat auf diese Weise in den vergangenen 3 Jahren mehr als 50! Wettbewerbe durchgeführt und das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Reinhard Drees, Architekturbüro Dress & Huesmann aus Bielefeld stellte in einer Auswertung aus mehr als 120 Wettbewerbsverfahren die Rentierlichkeit von Wettbewerben in Bezug auf Zeit, Kosten und der Verfahrenstransparenz vor. Zentrales Ergebnis der Erhebung ist: Wettbewerbe brauchen in der Regel weniger Zeit als VOF-Verfahren (mehrere Wochen weniger). Die Kostenseite zeigt, dass die Baukosten nicht höher, sondern teils deutlich unter den Schätzwerten liegen und insgesamt gesehen sehr kostenbewusst geplant wird. Durch simple Einstiegsmöglichkeiten ohne die Vorlage von Referenzen gelingt es, junge Büros angemessen an Wettbewerben zu beteiligen. Gegenüber gesetzten Teilnehmern fällt die Bilanz der prämierten Arbeiten aus gelosten Teilnehmern sogar günstiger aus. Wettbewerbe lohnen sich also in jeder Beziehung für die Bauherren.

Neben den Wettbewerben nimmt die Frage der Bürgerbeteiligung für die Akzeptanz von Bauprojekten einen zunehmenden Stellenwert ein. Martin zur Nedden, Beigeordneter für Planung und Bau der Stadt Leipzig, berichtete über neue Formen der Bürgerbeteiligung bei Planungsprozessen wie z.B. bei der Umgestaltung der „Karli“, einer belebten Geschäftsstraße und Kneipenmeile in der Südvorstadt. Diese neue Form der Einbindung von Bürgern braucht aber auch eine Moderation, bei der die Verwaltung zunehmend an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stößt. Es werden deshalb finanzielle Mittel benötigt, um solche Prozesse fachlich und professionell begleiten zu können.

Die Qual der Wahl hat letztlich der Politiker, der in seinen Entscheidungen zur Haushaltplanung der Stadt eine Balance zwischen allen Aspekten einer nachhaltigen Stadtentwicklung finden muss, auch der (Bau)Kultur. Raik Hesselbarth, Fraktionsvorsitzender der FDP im Stadtrat zu Leipzig zeigte seine Handlungsmöglichkeiten auf.

Uns zeigt es einmal mehr, dass es besonders wichtig ist, baukulturelle Themen verstärkt mit der Stadtpolitik zu diskutieren. Gleichzeitig muss das Instrumentenset zur Sicherung einer qualitätvollen Stadtgestaltung und Verfahrensbeteiligung weiter geöffnet werden, um darüber hinaus bei den privaten Bauherren und den Bürgern eine höhere Akzeptanz für Baukultur zu erreichen.

Autorin: Ines Senftleben

Der Artikel ist im Deutschen Architektenblatt 04/2013 erschienen.
Foto oben planart4.
Von links nach rechts: Bürgermeister und Beigeordneter Martin zur Nedden, Prof. R. Scherzer-Heidenberger, Binaca Urban, Raik Hesselbarth (Fraktionsvorsitzender d. FDP im Stadtrat zu Leipzig)

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